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Wann ist ein Mensch hirntot? Die zweifelsfreie Klärung dieser Frage ist eine wesentliche Voraussetzung für die postmortale Organspende. Auch für die Beurteilung von Komapatienten ist die Hirntod-Diagnostik essenziell: Gibt es noch eine Chance auf ein Wiedererwachen oder ist die Gehirnfunktion irreversibel verloren? Da diese Fragen den Grenzbereich zwischen Leben und Tod betreffen und somit hochsensibel sind, gelten bundesweit einheitliche Verfahrensregeln, nach denen der Hirntod festgestellt wird. Diese zählen zu den strengsten der Welt, wie die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) anlässlich der aktuellen Debatte um die Organspende betont. Die Hirntod-Diagnostik ist auch eines der Themen auf der Pressekonferenz zur 64. Jahrestagung der DGKN am Donnerstag, den 26. März 2020 in Baden-Baden.

Nach aktuellen Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) waren es im vergangenen Jahr hierzulande 932 Menschen, denen im Rahmen der postmortalen Organspende Organe für die Transplantation entnommen wurden. In all diesen Fällen wurde zuvor von mindestens zwei unabhängigen Ärzten der irreversible Hirnfunktionsausfall, wie der Hirntod offiziell heißt, festgestellt. „Neben dieser Doppelbefundung gelten in Deutschland weitere Qualitätsstandards, die im internationalen Vergleich besonders hoch sind“, sagt Professor Dr. med. Uwe Walter, Vorsitzender der Hirntodkommission der DGKN und Stellvertretender Klinikdirektor der Universitäts-Klinik und Poliklinik für Neurologie in Rostock. So müssten alle an der Untersuchung beteiligten Ärzte Fachärzte sein und über mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von akuten schweren Hirnschädigungen verfügen. Mindestens einer der beurteilenden Mediziner muss zudem ein Facharzt der Neurologie, Neurochirurgie oder Neuropädiatrie sein.

Auch der Ablauf der Hirntod-Diagnostik ist in der Richtlinie, die der wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer (BÄK) bereits 1982 formuliert und seitdem mehrfach aktualisiert hat, detailliert geregelt. In einem ersten Schritt soll demnach geklärt werden, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Hirntod vorliegen – das heißt, ob eine schwere Hirnschädigung durch Trauma, Infarkt, Blutung, Sauerstoffmangel oder andere Ursachen existiert. Anschließend werden die klinischen Symptome des Hirnfunktionsausfalls überprüft, zu denen neben dem Koma auch das Fehlen verschiedener Reflexe, das Ausbleiben einer Reaktion auf bestimmte Schmerzreize, sowie das Fehlen der Spontanatmung zählen. In einem dritten Schritt muss geklärt werden, ob diese Ausfälle irreversibel sind. „Das kann entweder durch eine erneute Untersuchung nach einer vorgegebenen Zeitspanne geschehen oder durch eine zusätzliche Diagnostik, die mit Hilfe von Apparaten durchgeführt wird“, erklärt Walter. Diese apparativen Verfahren kämen auch dann zum Einsatz, wenn einzelne klinische Symptome des Hirnfunktionsausfalls nicht überprüft werden könnten; bei Kindern unter zwei Jahren sowie bei bestimmten Formen der Hirnschädigung seien sie zwingend vorgeschrieben.

Zu den apparativen Untersuchungen zählt zuvorderst die Aufzeichnung einer Hirnstromkurve (Elektroenzephalogramm EEG); diese zeigt im Falle des Hirntodes keinerlei Aktivität. Zudem kann der Nachweis auch über das Fehlen jeglicher Hirndurchblutung geführt werden, beispielsweise mit Ultraschall (Dopplersonografie). „An diese apparativen Verfahren werden in Deutschland höchste Anforderungen gestellt, die von der DGKN regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden“, sagt Walter. Dass die BÄK-Richtlinie im internationalen Vergleich sehr streng ist, zahle sich aus und mache die Hirntod-Diagnostik in Deutschland ausgesprochen sicher: „In den fast 40 Jahren seit Bestehen der Richtlinie ist bei konsequenter Anwendung noch keine einzige Fehldiagnose bekannt geworden“, so der DGKN-Experte.