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Rund 4,1 Millionen Menschen leiden laut WHO in Deutschland an einer Depression – Tendenz steigend. Psychotherapeutische Verfahren und antidepressive Medikamente sind wirksame und etablierte Therapieformen. Zunehmend gewinnt aber auch die nichtinvasive Hirnstimulation als Behandlungsoption bei Depressionen an Bedeutung: Bei der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) legen Ärzte eine Magnetspule an die Stirn des Patienten an und stimulieren so die Nervenzellen des Gehirns. Und auch eine Gleichstrombehandlung von außen zeigt erste Erfolge. Doch wem hilft was am besten? Über neue Ansätze für die individualisierte Behandlung bei Depressionspatienten berichten Experten auf der Online-Vorab-Pressekonferenz zu internationalen Konferenzen der 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN).

Warum spricht ein Patient auf eine antidepressive Therapie an, ein anderer hingegen nicht? Wie lässt sich vorhersagen, welches Antidepressivum bei welchem Patienten wirkt? Oder ob eine Hirnstimulation wirkungsvoller wäre? „Bisher fehlten uns klinisch nutzbare Biomarker für so eine verlässliche Prognose“, erklärt Professor Dr. med. Frank Padberg, Leiter der Sektion für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) München. Seine Arbeitsgruppe erforscht derzeit intensiv Möglichkeiten der individualisierten Behandlung bei Depressionspatienten – mit ersten Erfolgen.

Neben den klassischen Behandlungen von Depressionspatienten mit Psychotherapie und Medikamenten hat in den vergangenen Jahren die nicht-invasive Hirnstimulation (engl. Non-Invasive Brain Stimulation – NIBS) zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist ein NIBS-Verfahren, bei dem Nervenzellen in der Hirnrinde mittels Serien von sehr kurzen, aber starken Magnetfeldimpulsen stimuliert (d.h. depolarisiert) werden. Für die Behandlung von Depressionen wird die rTMS zur Stimulation frontaler, das heißt hinter der Stirn gelegener Hirnareale eingesetzt. Die Behandlung erfolgt mit 20 bis 30 Sitzungen über mehrere Wochen. Eine weitere therapeutische Möglichkeit ist die transkranielle Gleichstromstimulation (engl. transcranial Direct Current Stimulation – tDCS). Hierbei wird über Elektroden auf der Kopfhaut für 20 bis 30 Minuten ein schwacher Gleichstrom angelegt, mit dem die Aktivierbarkeit von Nervenzellen verändert werden kann. „Bei der TMS und tDCS handelt es sich um nebenwirkungsarme Behandlungsverfahren, die in jeder Arztpraxis, im Fall der tDCS sogar zu Hause, eingesetzt werden können“, erklärt Padberg.

Ziel der Forschung ist es nun, geeignete Marker zu finden, um vorhersagen zu können, welche Therapieform welchem Patienten am besten hilft. Dazu gibt es erste Anhaltspunkte. So lassen sich Ausprägung und Verlaufsform von Depressionen mittels Magnetresonanztomografie (MRT) darstellen. Die Münchner Arbeitsgruppe von Professor Padberg fand auf der Basis von MRT-Bildgebungsdaten heraus, dass ein Patient umso besser auf die Gleichstromstimulation anspricht, je größer das Volumen von grauer Substanz in bestimmten frontalen Hirnregionen ist (Bulubas et al. 2019). Auch für die TMS liegen Studienergebnisse zur Vorhersage des Ansprechens aus MRT-Daten einer Bostoner Arbeitsgruppe (Weigand et al. 2018) vor. Schließlich ließ sich kürzlich das Ansprechen auf eine tDCS im Vergleich zu einem antidepressiven Medikament mittels innovativer statistischer Verfahren (sogenannter Machine Learning Methoden) vorhersagen, die aus klinischen Daten errechnet werden (Kambeitz et al. 2020).

„Die Verbindung von Biomarkern aus der Bildgebung, klinischen Daten und spezifischen Stimulationsansätzen eröffnet neue Wege in der Behandlung depressiver Erkrankungen, die sowohl mit Medikamenten als auch mit Psychotherapie individuell kombiniert werden können“, ist sich Padberg sicher. Bisher kann es Jahre dauern, die optimale Behandlung für eine Depression zu finden. Eine passgenaue Therapie würde die Leidenszeit deutlich verkürzen.

  • Bulubas L et al. Antidepressant effects of tDCS are associated with prefrontal gray matter volumes at baseline: Evidence from the ELECT-TDCS trial. Brain Stimul. 2019; 12: 1197-1204.
  • Kambeitz et al. Clinical patterns differentially predict response to transcranial direct current stimulation (tDCS) and escitalopram in major depression: A machine learning analysis of the ELECT-TDCS study. J Affect Disord. 2020; 265: 460-467
  • Weigand A et al. Prospective Validation That Subgenual Connectivity Predicts Antidepressant Efficacy of Transcranial Magnetic Stimulation Sites. Biol Psychiatry. 2018; 84: 28-37.

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